Reise um mein Haus

Xavier de Maistre hat Ende des 18. Jahrhunderts während eines längeren Hausarrests eine Entdeckungsreise durch sein eigenes Zimmer unternommen. Knapp und kurzweilig parodiert er in seinem Bericht die systematische Langatmigkeit und Detailverliebtheit von Reiseschilderungen, auch Tonfall und Methodik philosophischer Abhandlungen sowie verschiedene literarische Moden seiner Zeit. Jeden Einrichtungsgegenstand nimmt er zum Anlass, grundsätzlich zu werden: Ich und Weltwahrnehmung zu reflektieren, von Kunst, Wissenschaft, Gesellschaft, Mensch, Tier, Kreatur zu erzählen – um sich dann wieder selbstironisch in ausgesucht belanglose Momente seines Lebens zu vertiefen. Alles, ohne je einen Schritt vor die Tür zu setzen.

Und ich – ich habe hier nicht nur ein Zimmer, ich habe ein ganzes Häuschen für mich allein, ein denkmalgeschütztes, geschichtsträchtiges Häuschen sogar – aber, ach, die Ideen versagen mir. Was soll ich sagen, ich bin gerade erst angekommen, ich fühle mich wohl, alles Notwendige ist da, nichts stört oder steht im Weg und erinnert an Liebe, Leben und Tod, ich sehe nichts als schlichte stilvolle Funktionalität, die bestmögliche Kombination aus Klassizismus und Ikea. Und viele Fenster hinaus in die Welt – in die ich in ein paar Tagen auch schon wieder darf.